Wenn ein Unternehmen eine kluge Strategie hat, ist das gut. Noch besser, wenn Teilstrategien auf die übergeordnete Strategie abgestimmt sind. Wenn wir ehrlich sind, ist schon das nicht immer gegeben, sondern oft genug das Resultat der Binnenlogik der jeweiligen Spezialgebiete. Dann allerdings hätte man sich die Mühe sparen und die Teilstrategie gleich aus dem Netz runterladen können.
Warum auch nicht? Für Master- und Doktorarbeiten gibt es diese „Dienstleistung“ ja schon lange. Da geht es dann mehr darum, die Spuren zu verwischen, was letztlich wohl auch nicht viel weniger Arbeit macht als eine Doktorarbeit zu schreiben, aber egal. „Teilstrategien fixfertig – wählen Sie die, die Ihnen gefällt.“ Vielleicht wäre das tatsächlich ein Geschäftsmodell, aber ich schweife ab.
Die Sache mit der Abstimmung hört bei den Strategien noch lange nicht auf. Genau genommen hört sie gar nie auf. Denn mit jedem noch so kleinen Projekt, jeder Anpassung von IT-Systemen oder Infrastruktur, jeder Wahl von Büromöbeln usw. bauen Sie an Ihrer Organisation; all diese Dinge transportieren Botschaften, implizit und explizit, und werden das Verhalten der Belegschaft beeinflussen. Und das Verhalten der Belegschaft zu beeinflussen, ist ja eine Kernqualität von Leadership. Also, steile These: jedes Projekt und jede Anpassung ist auch Führungsarbeit.
Die fortlaufende Spezialisierung von Fachgebieten birgt dabei die Gefahr von Fragmentierung, und wenn Sie zwanzig laufende Projekte mit fünfzehn Binnenlogiken am Laufen haben, sind Sie bald nahe am Tinguely-Modell, dass ich schon mehrfach zitiert habe: lustig anzusehen, immer in Bewegung, und bar jeder Zielstrebigkeit.
Bei Tinguely ergibt sich daraus immerhin ein Gesamtkunstwerk, bei Organisationen eher nicht...mindestens nicht auf Dauer, weil sie dann nämlich irgendwann weg sind, und nicht nur vom Fenster, sondern auch vom Markt.
Es lohnt sich also, sich bei absolut jeder Anpassung zu fragen, ob das, was Sie da neu installieren oder verändern,
- die Unternehmensstrategie unterstützt,
- auf die Erreichung der Unternehmensziele einzahlt,
- die Werte transportiert, die Sie befördern wollen,
- und das Verhalten auslösen wird, das Sie sich wünschen.
Das Schöne daran: es eröffnet tausend kleine Hebel für Organisations-Tuning und Kulturentwicklung. Aber irgendjemand muss darauf achten, dass es eine übergeordnete Klammer über alles gibt und dass die auch herangezogen wird als Design-, Bewertungs- und Entscheidungskriterium. Und „irgendjemand“, das sind Führungskräfte, oder wenn Sie da schon weiter sind, beliebige Mitarbeitende, die Leadership und Mitverantwortung übernehmen.
Ein Organisationsentwicklungsprojekt zu starten, kann schon Sinn machen, weil es diesen Aspekt für eine gewisse Zeit explizit in den Vordergrund rückt, aber bilden Sie sich nicht ein, dass Sie vorher und nachher keine Organisationsentwicklung machen. Das ist nämlich einer der Hauptgründe, warum solche Projekte so oft scheitern. Sie werden als isolierte Vorhaben betrachtet: „hier machen wir Organisationsentwicklung, und ansonsten machen wir einfach unsere Arbeit.“ Sowas als Projekt zu bezeichnen, ist also eigentlich ein Kategorienfehler, denn Anfang und Ende suchen Sie da vergeblich.
Als Führungskraft ist Organisationsentwicklung Ihre Arbeit – zumindest ihr interner Teil. Deshalb: „OE“ ist immer. Nutzen Sie die Chancen, die das bietet.
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