
Sie kennen die Helsana-Plakate, die überall hängen, oder? Die mit diesen Ratgeber-Motiven wie: «Schlafen wir genug. Ruhephasen fördern die mentale Gesundheit.» oder «Weine. Es befreit.»
Nun frage ich mich mit Verlaub, weshalb mir eine Versicherung auf offener Strasse therapeutische Ratschläge für meine Lebensführung entgegenwerfen soll – und das auch noch im Imperativ.
Wenn ich in meinem Leben klarkommen möchte, ist meine erste Idee nicht, mich an einen Pumpenhersteller oder eine Krankenkasse zu wenden. Wo sind wir denn da hingeraten?
Helsana ist mit solchen Kampagnen nicht allein, die haben nur grad Pech, dass mir ausgerechnet ihre Plakate aufgefallen sind (immerhin, das hat die Kampagne ja erreicht).
Ich unterschreibe sofort, dass es Sinn macht für ein Unternehmen, die eigene Tätigkeit in einen grösseren positiven Kontext zu stellen, der weit über das Unternehmen hinausgeht, und das Bewusstsein hochzuhalten, mit dieser Tätigkeit zu erstrebenswerten Dingen beizutragen – kurz, eine sinnhafte Vision zu haben. Aber der Platz, den diese Dimension in der Marketingkommunikation erhält, verliert zusehends alle Proportionen, und führt zu einer unstimmigen Vermischung von Ebenen.
Der Kern der Wertschöpfung tritt dabei völlig in den Hintergrund. Der positive Kontext ist gut und wichtig, aber innerhalb dieses Kontextes gibt es so etwas wie eine unmittelbare «Zuständigkeit» einer Organisation. Die gründet im Kern ihrer Wertschöpfung. Diese wiederum wird oft im unternehmerischen Kontext erbracht, was mit sich bringt, dass da ein angemessener Profit nun mal dazugehört, wenn diese Leistung langfristig erbracht werden soll. Dass der Profit dabei Mittel und nicht Zweck ist, darin sind sich die meisten ja einig.
Allerdings hat selbst das in letzter Zeit erhebliche Dellen davongetragen: Blackrock steigt aus seinem Nachhaltigkeitsprogramm in Bezug auf Investitionen aus (wohl auch, weil einer «drill, Baby, drill» gerufen hat). Google, Meta, Microsoft und Walmart reduzieren Gleichbehandlungs- und Inklusionsprogramme oder lösen die entsprechenden Teams gleich ganz auf, und zwar als Reaktion auf veränderte politische Rahmenbedingungen, wenn man es diplomatisch ausdrücken möchte.
Das aber ist eine Zäsur, deren Ausmass meines Erachtens noch zu wenig Beachtung findet: denn diese Grossfirmen können nie mehr behaupten, dass es ihnen um etwas anderes als Profit geht. Wenn der Profit wirklich nur Mittel und nicht Zweck ist, dann ist man auch bereit, auf einen Teil der möglichen Profite zu verzichten, wenn es darum geht, Werte hochzuhalten. Wenn solche Unternehmen in Inseraten die grosse Visionen für den Planeten in den Vordergrund stellen, wirkt das nur noch zynisch.
Aber was tun, um nicht tatsächlich im Zynismus zu enden?
Nun, Unternehmen könnten sich einfach darauf konzentrieren, wofür sie direkt zuständig sind und was sie gut machen. Ob ihr Gebahren dabei im moralisch anständigen Bereich bleibt, finde ich durchaus sehr relevant, aber wenn das nach aussen dermassen überbetont wird, macht es dann doch wieder den Eindruck, als wären die guten Absichten mehr Mittel als Zweck und der Zweck eben doch der Mammon.
Vielleicht besinnt sich die Marketingbranche ja wieder auf Bodenständigkeit. In diesem Sinn freue ich mich auf entsprechende Kampagnen. Und es gibt ja auch genügend Beispiele für Slogans, die nah am Kerngeschäft bleiben: «Fust – und es funktioniert.» Oder ein Restaurant, das vor dem Eingang ein Schild aufstellt: «hier essen Sie gut.»
Na bitte. Punkt. Die werben nicht damit, dass sie mein Lebensglück optimieren wollen, obwohl sie es ja durchaus ein klein wenig tun – das Restaurant, meine ich.
Geht doch.
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