„Weich“ ist ja wohl das letzte Wort, mit dem man als Manager beschrieben werden möchte, oder?
So nebenbei bemerkt: dass „knallhart“ offenbar ein Adelsprädikat für Manager ist, lässt doch auch irgendwie tief blicken in Bezug auf die traditionelle Professionskultur dieser Berufsgruppe. Die nachrückende Generation von Führungskräften – und durchaus auch viele erfahrene Leader – sehen diese Kultur bereits sehr viel kritischer, als es nach aussen den Anschein macht.
Die Scheu gegenüber „Weichem“ ist umso erstaunlicher, wenn man sieht, was für ein Hype um Themen wie Resilienz und Achtsamkeit gemacht wird. Wenn man beispielsweise schaut, was langfristige Zufriedenheit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit fördert, stösst man auf Dinge wie Genussfähigkeit, ein gut entwickeltes Körpergefühl, differenzierte Selbstwahrnehmung, Kontaktfähigkeit, Spiritualität, Lebenssinn. Das sind beim besten Willen keine Dimensionen, die man als „hart“ bezeichnen würde.
Resilient will jeder sein, aber bloss nicht weich. Vielleicht haben „soft factors“ deshalb einen so schweren Stand, denn übersetzt heissen die ja...oh Gottogott.
Resilienz hat es dabei noch leichter als Achtsamkeit: erstere kämpft allenfalls gegen das Unwort „weich“, letztere muss gegen „esoterisch“ antreten. Da geraten wir definitiv in die Panikzone der Businesswelt. Die Panik vor Esoterik ist so gross, dass alles mit in den Bannkreis gerät, was auch nur im Entferntesten damit assoziiert werden könnte. Das geht so weit, dass manchmal sogar Spiritualität – und damit eine Grunddimension menschlicher Existenz – sofort unter Esoterikverdacht fällt. Wo sind wir da hingeraten?
Wer weich ist, gilt allenfalls als Versager. Das passt wenigstens noch in die Kriegs- und Kampfmetaphorik, die die Managementwelt immer noch dominiert, und Versager kann man ja aussortieren. Aber Esoteriker? Da ähneln die Reaktionen eher Fluchtreflexen. Als würde man Gefahr laufen, sich mit einer tödlichen Krankheit zu infizieren, die ausserdem durch weit sichtbare grüngelbe Pusteln erkennbar ist.
Es wird in letzter Zeit oft orakelt, dass die alteingesessenen Grosskonzerne todgeweiht seien, weil sie entweder an ihrer Hierarchiestruktur sterben oder von kleinen cleveren Startups disruptiv vom Markt gefegt werden. Ich teile diese Hypothese nicht. Aber im Umgang mit weichen Qualitäten haben sie einen echten Rückstand gegenüber ihren jüngeren Konkurrenten, und das kann langfristig zu einem grossen Problem werden. Zu oft werden diese Themen als exotische Events abgefackelt: „War fantastisch mit diesem Kung Fu Meister, sehr inspirierend“. Schon, aber was ist sechs Monate später?
Nun gut, dank Ramon Zenhäusern dürfte immerhin zumindest der Begriff „birnenweich“ im Duden aufgenommen werden, das ist ein Anfang.
Es ist schon komisch: der Vorteil des Weichen begegnet einem an allen Ecken und Enden: auf einen harten Angriff folgt eine weiche Technik (a propos Kampfkünste), die Bäume, die nach einem Wirbelsturm noch stehen, sind die biegsamen, und sogar Ingenieuren ist klar, dass Hochhäuser, die erdbebensicher sein sollen, diejenigen sind, die schwanken können. Manager sind bald die einzigen, die denken, sie müssten vor allem stahlhart sein – kein Wunder, wenn sie dann im Sturm zerbrechen.
Wenn Sie eine Top-Position mit grosser Ausstrahlungskraft zu besetzen haben, und Sie schicken Kandidaten und Kandidatinnen in ein Assessment, messen Sie doch mal Dimensionen wie die oben erwähnten: Genussfähigkeit, Körpergefühl, Selbstwahrnehmung, Kontaktfähigkeit, Spiritualität, Lebenssinn. Sie hätten gute Chancen, fähige und integre Leader zu bekommen, die auch harten Zeiten gewachsen sind.
Fragen Sie sich doch zwischendurch, ob Sie weich genug sind für die harte Businesswelt – es könnte helfen, den operativen Druck und die ethischen Herausforderungen des Alltags zu meistern.